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31.07.2019

The winner takes it all...

...nicht nur ein Ohrwurm von ABBA, sondern auch der Titel einer Multiplikatoren-Fortbildung von Christoph Ernst zum Thema soziale Ungleichheit am 26. bis 27. März bei uns in der Bezirksgeschäftsstelle, die viel ausgelöst hat:

Wie reich ist der reichste Mensch, den Sie persönlich kennen? Darüber hatte ich noch nie nachgedacht, es hat mich auch nicht sonderlich interessiert. Aber als uns diese Frage in der Fortbildung gestellt wurde, wurde mir ziemlich schnell klar, dass es einen krassen Unterschied zwischen mir und 'den Reichen' gibt. Und das, obwohl ich mich bisher nicht gerade als arm wahrgenommen habe.

Manche Menschen bekommen eben mehr Lohn für ihre Arbeit als ich. Ich hatte das bisher als gegeben hingenommen und nie hinterfragt, schließlich haben andere ja auch mehr Verantwortung, opfern ihre Wochenenden für ihren Job und stehen wahrscheinlich unter stehen immensem Leistungsdruck.

Aber wo ist die Grenze des Angemessenen?

Ein Paketbote in einem Subunternehmen der Deutschen Post zum Beispiel verdient etwa 550 Euro im Monat. Was glauben Sie, wie viel der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG verdient?

Es sind etwa 830.000 Euro im Monat. Das ist viel. Wie viel mehr? Schätzen Sie mal, ohne zu rechnen. Ja, es ist 1500 mal so viel (sie haben DOCH gerechnet!) EINTAUSENDFÜNFHUNDERT mal so viel! Auch mit einem 16 Stunden-Tag und einer Verantwortung, die einem schlaflose Nächte beschert, frage ich mich, wodurch eine solche krasse Lohnspreizung gerechtfertigt ist.

Dazu kommt die Frage, ob eine Arbeit, die ein Mensch verrichtet, jemals SO viel wert sein kann? Wie 'wertvoll' ist eine solche Arbeit für unsere Gesellschaft? Und wie wertvoll ist dagegen die Arbeit eines Menschen, der darum kämpft, dass alte und hilfsbedürftige Menschen wenigstens einigermaßen human versorgt, betreut und begleitet werden? Finden Sie den Fehler...

Eine andere Frage die auf den ersten Blick gar nichts mit unserem Thema zu tun zu haben scheint:

Welche Assoziationen haben Sie zu Christopher Columbus? Wenn Sie in erster Linie an Seefahrer, Abenteurer, Entdecker Amerikas denken, dann liegen Sie voll im (europäischen!) Trend.

Fragen Sie bei den Ureinwohnern Amerikas danach, bekommen Sie andere Assoziationen zu hören: Eindringling, Mörder, Vergewaltiger, Terrorist.

Auf den zweiten Blick wird (wieder einmal) deutlich, wie wichtig es ist, auch die Perspektive zu betrachten, von der aus man Geschichte schreibt, und welche Interessen hinter welchen Geschichten stehen.

Mit 'Kolonialwaren' habe ich bisher eher Exotisches verbunden: Schöne Möbel, ungewöhnliche Gewürze, eine Bereicherung von unserer Kultur eben. Nach der Fortbildung hat der Begriff 'Bereicherung' eine ziemlich bittere Note bekommen!

Dass damals nicht alles nur harmlos war, konnte man sich ja irgendwie denken. Doch dass unser Wohlergehen und unser heutiger Reichtum eine mehr oder weniger direkte Folge von Ausbeutung und Raub unter dem Deckmantel von 'wir bringen armen unterentwickelten Völkern mal ein bisschen Zivilisation bei' ist, wurde mir in diesen beiden Tagen so richtig deutlich.

Und die Fortbildung hat Fragen aufgeworfen, auf die ich bis heute noch keine befriedigende Antwort gefunden habe: 'Was machen wir denn jetzt mit den damals 'geklauten' Schätzen?' Allein in deutschen Museen haben wir über 100.000 Objekte aus afrikanischen Ländern! Mit welchem Recht maßen wir uns an, diese nicht zurück zu geben? Wo fangen wir an? Ist es in Ordnung, zu sagen: 'Naja, das war damals halt so, es war eine andere Zeit, aber persönlich trifft uns doch keine Schuld!' ???

Rechtfertigungen, die wir aus anderen Kontexten nur zu gut kennen, und die - wenn wir nicht aufpassen - wieder mal zeigen: Der Mensch lernt aus der Geschichte, dass er NICHTS lernt! - 'Aber schließlich organisieren wir heute ja auch Entwicklungshilfe!' - Ja, stimmt, viele engagieren sich sozial, und versuchen, Menschen zu unterstützen, denen es nicht so gut geht wie uns. Was bleibt, ist die Verantwortung für die Umstände, die diese Ungleichheit überhaupt erst schaffen. Und auch, wenn es unbequem ist, unser Luxus ist oft ein Ergebnis von für uns unvorstellbarem Leid.

Kein schlechtes Gewissen dabei zu haben wäre naiv.

Eine Idee zum Abschluss: Schicken Sie doch mal eine Textnachricht an 5 Bekannte mit folgendem Inhalt: 'Ich habe gerade einen Artikel über eine Fortbildung zum Thema 'Soziale Ungleichheit' gelesen, und nun beschäftigt mich die Frage: Was kann man dagegen tun, dass der Reichtum auf dieser Welt so ungerecht verteilt ist. Was fällt Dir denn dazu ein?'

Die nächsten Textnachrichten, die Sie bekommen, werden vielleicht spannender als die letzten sein...

Christian Lautner

Hier kann man die Inhalte der Fortbilung übrigens nachlesen.